Plötzlich saßen die "jungen Wilden" im Rat

Von Brigitte Neuschäfer (Bergische Morgenpost, 20.8.2015)

Hückeswagen. Vor 35 Jahren wurden sie in Hückeswagen gegründet, vor nun 31 Jahren zogen die Grünen erstmals in den Stadtrat ein - und sorgten für Überraschungen: politisch, durchaus aber auch menschlich. Am Samstag wird der "Geburtstag" gefeiert. 

Provinz hin oder her: Als Anfang 1980 die Bundespartei der Grünen gegründet wurde, waren ihre ideologischen Wurzeln aus der Umwelt- und Friedensbewegung auch in Hückeswagen schon auf fruchtbaren Boden gefallen. Noch im selben Jahr gründete sich der Ortsverein der Grünen. 1983 zogen die Grünen erstmals in den Bundestag ein, 1984 schaffte die Hückeswagener Basis den Sprung in den Stadtrat. Und damit wurden die Karten ganz neu gemischt.

Nach Jahrzehnten mit drei Fraktionen im Rat saßen nun also erstmals die vermeintlichen jungen Wilden als vierte Kraft neben den Etablierten am großen ovalen Tisch im altehrwürdigen Schloss. Sie wurden von denen, die bislang routiniert - und bisweilen in Routine erstarrt - die Kommunalpolitik bestimmt hatten, argwöhnisch beäugt. Einige belächelten sie als politische Exoten mit der "Laufzeit" von Eintagsfliegen. Andere fürchteten gleich um die Demokratie im Allgemeinen und in Hückeswagen im Besonderen. Hintergrund: Bei einem CDU-Bundesparteitag zu Beginn der 1980er Jahre waren die Grünen als "Extremisten" und "Radikale" eingestuft worden.

Mit denen war nun zu diskutieren über Bebauungs- und Flächennutzungspläne, Straßen- und Kanalbau, Schulpolitik vor Ort und das, was praktische Kommunalpolitik sonst so ausmacht. Überraschung für nicht wenige in CDU, SPD und FDP, die es von jeher gewohnt waren, im Rat "unter sich" zu bleiben: Die Neuen diskutierten sachkundig mit, brachten eigene konstruktive Vorschläge und Anträge in die Fachausschüsse und den Rat ein - und sie "piesackten" die Verwaltung, weil sie so intensiv, wie zuvor im Rat nicht erlebt, nachbohrten, wenn die ihre Vorlagen einbrachte.

Zum historischen Verständnis: Die Verwaltung war damals die eigentliche Macht in der Stadt, angeführt vom Stadtdirektor (seinerzeit in Hückeswagen Hans-Jürgen Pauck), während der Bürgermeister nur ehrenamtlich und vor allem als Repräsentant nach außen hin tätig war. Letztlich wurden die Weichen für die Entwicklung der Stadt vom Stadtdirektor und seinen Amtsleitern gestellt.

"Wir sind dafür, dass wir dagegen sind": Diese Grundhaltung hatten so manche Vertreter der etablierten Parteien den Grünen nach der Kommunalwahl 1984 unterstellt. Sie irrten. Die Grünen hakten zwar intensiv nach, übten auch scharfe Kritik, arbeiteten aber immer konstruktiv mit. Das mussten ihnen letztlich auch die härtesten Skeptiker zugestehen. Mit ihren wichtigsten Leuten, allen voran Wolfgang Heer und Annetraut Hohmeister, aber auch Alfons Herweg, Kerstin Paulussen und Petra Wiehager, prägten die Grünen schon in ihrer ersten Legislaturperiode die Ortspolitik entscheidend mit. Keine Spur von Fundamentalismus, schon gar nicht von Extremismus: Die Hückeswagener Grünen erwiesen sich als "Realos" der Kommunalpolitik.

Fraktionsbündnisse gingen sie nicht ein, stimmten vielmehr - je nach Sachlage - mal mit der CDU, mal mit der SPD. Die Kommunalpolitik wurde spannender ohne zementierte Mehrheiten. Und dann kam das denkwürdige Jahr 1989: Die Hückeswagener Grünen entschieden, den CDU-Mann Manfred Vesper als Bürgermeister-Kandidaten zu unterstützen (s. unten stehenden Artikel).

Die Grünen sind bis heute ununterbrochen im Stadtrat vertreten. Bis in die 1990er Jahre hinein blieben Wolfgang Heer und Annetraut Hohmeister ihre wichtigsten Ortspolitiker. Sie schufen das solide Fundament für die nächste Generation der Partei. So aufregend, wie in ihrer Zeit als Pioniere der Grünen in Hückeswagen, wurde es nie wieder.

Bei der vorigen Kommunalwahl am 25. Mai 2014 wurden die Grünen mit 10,7 Prozent - nach CDU und SPD - wieder drittstärkste Kraft. Für sie sitzen Shirley Finster, Egbert Sabelek, Constanze Werth und Felix Frauendorf im Stadtrat.
Quelle: RP

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